Ein harter Geist und ein weiches Herz
Anfang April stellte Jugendbuchautor und Historiker Dirk Reinhardt den Schülerinnen und Schülern der neunten Klassen am Gymnasium Bruckmühl im Pfarrsaal der katholischen Kirche seinen aktuellen Roman „No Alternative“ vor.
Einleitend berichtete er, dass er sich seit 2021, als während der Pandemie Lesungen nicht stattfinden konnten, umfassend mit dem Klimawandel beschäftigt habe. Im Dialog mit den Jugendlichen erläuterte er Folgen des Klimawandels und wies u.a. darauf hin, dass Fluchtbewegungen sehr eng mit der Klimakatastrophe in Zusammenhang stünden. So könnten in den kommenden Jahrzehnten Hunderte Millionen Menschen gezwungen sein aufgrund von Hitze und Trockenheit ihre Länder zu verlassen.
Die Idee zu seinem neuen Roman entstand, als Reinhardt im Rahmen des Hungerstreiks der „Letzten Generation“ im Spreebogenpark in Berlin mit jungen Teilnehmenden ins Gespräch kam. In der Folge nahm er mit zahlreichen Umweltschutzorganisationen wie Greenpeace und Sea Shepherd Kontakt auf, um das Denken und Fühlen der Mitglieder zu verstehen. Er kam zu der Erkenntnis, dass es viel Mut erfordere, sich für die Natur einzusetzen und es verstörend sei, dass Umweltschützer häufig vor dem Gesetz kriminalisiert würden, während Konzerne straffrei unser aller Lebensgrundlagen zerstörten. Der Autor forderte, dass Menschen, die für den Schutz des Lebens einträten, auch vom Gesetz geschützt werden müssten.
In Reinhardts Roman schließt sich die 17-jährige Emma der Vereinigung „No Alternative“ an, die als strukturierte Organisation mit konspirativen Zellen in verschiedenen Städten Deutschlands Anschläge plant und ausführt. Das Manifest von „No Alternative“ zeigt eindrucksvoll und erschreckend die Folgen der Klimakatastrophe auf und beklagt die Untätigkeit der Gesellschaft. In kontroversen Gesprächen wird deutlich, dass einige der Mitglieder eine radikalere Herangehensweise begrüßen, während Emma und andere von Gewalt gegen Menschen klar Abstand nehmen. Sachbeschädigung sehen jedoch alle als valides Mittel, um Aufmerksamkeit für den Klimaschutz zu gewinnen. Emma klettert in einer einsamen Nacht- und Nebel-Aktion auf die Spitze des Frankfurter Messeturms und hisst ein Banner mit der Aufschrift „No Alternative“, sie beteiligt sich an der Verbrennung Hunderter zu verschiffender Neuwagen und bei dem Versuch, einen Flughafen lahmzulegen. An mehreren Stellen im Roman zitiert Emma Sophie Scholl. Wie Sophie bräuchten Klimaschützer einen harten Geist und ein weiches Herz.
Im Anschluss an Reinhards Lesung stellten die Schülerinnen und Schüler zahlreiche Fragen und wollten beispielsweise wissen, was laut „No Alternative“ Lösungen für den Klimaschutz seien (das fände sich im Manifest und den Gesprächen der Gruppe), ob tatsächlich einmal jemand den Messeturm erklettert habe (ja, das habe 2018 ein Mitglied der Kapitalismus-kritischen Organisation „Enjoy Capitalism“ getan), ob Demonstrationen denn nicht genügten (nein, sie wirken recht bald nicht mehr und auch Straßenblockaden werden schnell nicht mehr thematisiert), wie man herausfände, was moralisch noch gerechtfertigt sei (das sei eine Frage des eigenen Gewissens). Reinhardt betonte, dass jeder Lesende eine eigene Haltung zu seinem Roman und den Inhalten finden müsse.
„No Alternative“ ist von der Jugendjury für den Deutschen Jugendliteraturpreis 2025 nominiert.
Text und Fotos: Ina Rückert-Eheberg